Wasser für Kinondo

Erster Brief von Tilman Lichtenthaeler (2016)

Wie in jedem Jahr unterstützen die Frauenhilfe und der Kirchenvorstand von St. Martin auch in diesem Jahr mit den Einnahmen aus dem Weihnachtsmarkt ein Projekt, bei dem Menschen in Not geholfen wird. In diesem Jahr sollen die Einnahmen erstmals nach Kinondo gehen.

Weit weg in Afrika, im südlichen Kenia, nicht weit vom Indischen Ozean entfernt und etwa 70 Kilometer nördlich der Grenze zu Tansania liegt die Siedlung Kinondo. Auf einem Gebiet, etwa 10 mal so groß wie Kelsterbach leben dort mehrere Tausend Menschen. Einige Wenige leben vom Fischfang im Indischen Ozean, die Meisten ernähren sich als Bauern von dem, was die kargen Böden hergeben. Obwohl die Menschen dort sehr bescheiden und fleissig sind, reicht das, was sie in harter Arbeit erwirtschaften kaum zum überleben, ganz selten bleibt etwas übrig was man auf dem Markt verkaufen könnte, weshalb Geld, das sie für all das brauchen, was nicht auf ihren Feldern wächst äußerst knapp ist.

Das größte Problem dieser Menschen ist Wasser, genauer gesagt fehlendes Wasser. Fast überall in Afrika besteht diese Problem, ja durch den Klimawandel wird es immer drängender, aber in Kenia kommt zur Klima bedingten Wasserknappheit noch etwas anderes hinzu.

Aufgrund der guten vulkanischen Böden und der günstigen Klimaverhältnisse im weit entfernten kenianischen Hochland sind dort im Lauf der Zeit riesige Großfarmen entstanden, auf denen internationale Unternehmen mit großem Profit Schnittblumen, Kaffee, Tee und Gemüse für den Export nach Europa anbauen. Um diese Felder zu bewässern werden die Flüsse, die früher die Felder der Bauern bis hinunter zur Küste mit Wasser versorgten nahezu leergepumpt, die einheimischen Bauern sitzen buchstäblich auf dem Trockenen, und niemanden dort stört das. So leben viele Menschen in Armut und leiden Hunger, damit wir hier auch mitten im Winter beispielsweise zum Valentinstag frische Blumen haben, im Januar grüne Bohnen essen können, oder günstigen Kaffee von hoher Qualität trinken können.

Vor einigen Jahren kam Brigitte Dobler, eine Urlauberin aus Österreich zufällig nach Kinondo und beschloss, den Menschen dort zu helfen. Aber wie? Geld für die internationalen Hilfsorganisationen zu sammeln ist nicht wirklich sinnvoll, afrikanische Beamte sind chronisch schlecht bezahlt und daher oft schamlos korrupt, viele Hilfsgelder verschwinden daher in finsteren Kanälen. Außerdem leiden viele von Europa aus geplante Projekte daran, dass sie zu wenig auf die tatsächliche Situation der Menschen Rücksicht nehmen, die Projekte sind oft zu groß, zu kompliziert, können von den Menschen für die sie gedacht sind mit deren begrenzten Möglichkeiten nicht am Leben erhalten werden.

So begann Frau Dobler ganz direkt, privat, frei von allen offiziellen Stellen zu helfen, dort wo ganz direkt Bedarf besteht, dort wo man mit verhältnismäßig geringen Mitteln etwas anstoßen kann, was die Leute von Kinondo dann in Eigenregie weiteführen können.

So entstand beispielsweise eine Schneiderei, dafür mussten nur einige mechanische Nähmaschinen (die sind weniger kompliziert in der Wartung) ein geeigneter Raum und eine Startausstattung an Nähmaterialien angeschafft werden, außerdem wurde ein Schneider aus Mombasa verpflichtet, der Frauen aus dem Ort das Nähen beibrachte.

Von weither kommen seither die Menschen, und lassen aus oft selbst mitgebrachten Stoffen Kleider, Moskitonetze oder Schuluniformen nähen, das kommt sie billiger, als bis ins weit entfernte Mombasa zu reisen, und die Frauen aus Kinondo verdienen etwas Geld.

Auch eine kleine Geflügelfarm und eine Fischerei, deren Produkte auf dem Markt in Ukunda verkauft werden sind inzwischen entstanden.

Dadurch, dass die Anschubhilfe für diese Projekte ganz privat, also unter Umgehung aller offiziellen Kanäle erfolgte, vieles an Material beispielsweise im Urlaubsfluggepäck von Frau Dobler und einigen Freunden den Weg nach Kenia findet, konnte bisher jeder einzelne Cent den Freunde von Frau Dobler, aber auch Firmen und die Stadtverwaltung ihrer Heimatstadt Feldkirch beigesteuert haben direkt eingesetzt werden. Bei allen Erfolgen bleibt aber das Fehlende Wasser das größte Problem. Auch wenn die Menschen in Kinondo äußerst sparsam damit umgehen, so werden beispielsweise die Maispflanzen auf den Feldern einzeln mit Suppenkellen gegossen, es ist einfach zu knapp.

Im Frühling und im Herbst gibt es eine, allerdings inzwischen oft unergiebige Regenzeit, ansonsten fällt Monatelang kein Tropfen vom Himmel. In ihrer Not heben die Menschen Gruben aus, in denen sie das Regenwasser auffangen, und in denen sich später Grundwasser sammelt. Diese Gruben haben allerdings viele Nachteile. Da sie nach oben offen sind ist das Wasser durch die starke Sonneneinstrahlung sehr warm, voll von Insektenlarven und stark verkeimt. Da auch wilde Tiere an diese Wasserlöcher kommen, zertrampeln sie die Ränder die daher immer schlammig sind, und sie verunreinigen mit ihrem Kot das Wasser zusätzlich, es ist eine ziemlich trübe, stinkende und schlammige Brühe die als einzige Wasserquelle zur Verfügung steht. Dieses Wasser macht krank, abgekocht kann es nicht werden, da Holz rar und sehr teuer ist, und auch das übliche Brennmaterial, aus Europa schiffsladungsweise ins Land gebrachter geschredderter Plastikschrott ist noch zu teuer für Menschen, die praktisch keine finanziellen Einnahmen haben.

Viele Menschen vor allem Kinder sind durch das dreckige Wasser dauerhaft krank, aber für Medikamente fehlt natürlich ebenfalls das Geld.

Außerdem kann man solche Gruben nicht überall graben, oft liegt das Grundwasser 20 Meter tief, also suchen Wünschelrutengänger nach Stellen, wo das Wasser höher liegt, das bedeutet aber, dass es oft viele Kilometer weit herbeigetragen werden muss. Hier bei gibt es eine klare Arbeitsteilung in den Familien: Die Eltern arbeiten auf den Feldern, die Großeltern besorgen den Hof und bereiten die Mahlzeiten zu, die Jungen hüten die Ziegen und eventuell auch eine Kuh, während die Mädchen fürs Wasserholen zuständig sind.

Da müssen Kinder oftmals schon ab ihren sechsten Lebensjahr stundenlang zu Wasserholen gehen, spätestens mit zwölf Jahren tragen sie dann bis zu 40 Liter Wasser in großen Kanistern auf dem Kopf, und das oft viele Stunden am Tag.

Dies Mädchen können deshalb auch nicht zur Schule gehen, sie haben also keinerlei Chancen, dieser ausweglosen Armut jemals zu entkommen.

Dabei ist die Möglichkeit des Schulbesuchs das, was sich alle Kinder in Kinondo am meisten wünschen.

Zugang zu sauberem Wasser, das ist eines der Milleniumsziele der Vereinten Nationen, im Süden Kenias merken die Menschen davon nichts.

Frau Dobler hat auch hier mit der Hilfe zur Selbsthilfe begonnen.

Hierfür wird an einer günstig zu mehreren Höfen gelegenen Stelle ein Brunnenschacht gegraben, die Ränder werden soweit sie sandig sind mit gemörtelten Mauern gesichert. Dann wird ein Brunnenrand von ca. 30 Zentimetern aufgemauert, damit in der Regenzeit kein schmutziges Wasser von außen in den Schacht fließt. Auf den Brunnenschacht wird ein Betondeckel gegossen, mit einer Runden Öffnung, durch die ein starkes Kunstoffrohr in den Schacht heruntergelassen wird. Am Ende wird dann eine Große und sehr stabile Handpumpe angebracht, mit der es unter geringem Kraftaufwand möglich ist, das Grundwasser herauf zu pumpen.

Da diese Brunnen ohne Generatoren oder Motoren und Treibstoff auskommen sind sie nahezu unverwüstlich und verursachen keine Folgekosten, vor allem liefern sie absolut sauberes Wasser, das nicht abgekocht werden muss. Ich habe es selbst getrunken, und obwohl Europäer in Afrika noch viel empfindlicher auf Wasser reagieren als Afrikaner habe ich keinerlei Probleme bekommen.

Der Brunnen, dessen Entstehen ich im März diese Jahren begleiten durfte versorgt nun ungefähr 120 Menschen und ihre Felder mit sauberem Trinkwasser, und für die Mädchen dieses Teils von Kinondo erfüllte sich inzwischen auch ihr Traum, die Schule besuchen zu können. Die Menschen sind deutlich weniger krank, und da das Wasser nicht mehr aus so großer Entfernung herbeigeschafft werden muss konnten die Bauern ihre Felder ein wenig vergrößern, sodass sie einen gewissen Überschuss erwirtschaften können, der nun auf dem Markt verkauft wird, wobei interessanterweise die erste Anschaffung von diesem Geld oft Schuluniformen sind, die in Kenia für alle Kinder Pflicht sind.

Erstaunlich ist, mit welch geringem finanziellen Einsatz ein solcher Brunnen zu realisieren ist. Je nach Tiefe des Schachts kostet so ein Brunnen etwa 1500 Euro, wobei die Pumpe den größten Teil der Kosten verursacht.

Im oben beschriebenen Fall sorgen 1500 Euro dafür, dass 120 Menschen gesund bleiben, nicht hungern müssen, ein wenig Geld verdienen und ihre Kinder in die Schule schicken können.

Die St. Martinsgemeinde will nun auch in Kinondo helfen, und einen Brunnen finanzieren, vielleicht sogar zwei, denn viele Menschen sind noch immer von der Versorgung mit sauberem Wasser abgeschnitten.

Ich habe in den vergangenen Wochen mehrmals die Frage gehört, ob denn ein solches Projekt im Moment sinnvoll sei, wo doch durch die vielen Menschen die in unser Land geflüchtet sind auch hier Hilfe gebraucht wird. Ich denke, gerade jetzt ist diese Hilfe notwendig.

Gegen den Krieg in Syrien können wir hier in Kelsterbach nichts bewirken, aber wir sollten nicht vergessen, dass der Nahe Osten nicht die einzige Richtung ist, aus der die Menschen nach Europa fliehen. Täglich kommen nach wie vor Hunderte übers Meer aus Afrika, sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge. Ein zynischer Ausdruck, wenn man bedenkt, dass in vielen Ländern Afrikas ebenfalls Krieg herrscht, zynisch vor allem aber auch deshalb, weil die Menschen flüchten um nicht zu Hause verhungern und verdursten zu müssen. Da geht es nicht um ein bequemes Leben, da geht es nicht um eine soziale Hängematte, da geht es sehr oft um nackte Überleben.

Bedenken wir bitte Eines: Die Menschen wissen ganz genau, wie gefährlich die Überfahrt übers Meer ist, und wie ausweglos muss das Leben eines Menschen wohl sein, wenn er dennoch seine Kinder in so ein Boot setzt?

Was in Kinondo geleistet wird verändert gewiss nicht die Welt, aber es sorgt dafür, dass die Menschen dort wo sie daheim sind auch überleben können, dass sie zu Hause bleiben, weil sie dort eine Zukunft haben. Sicher gibt es unzählige Kinondos in Afrika wo geholfen werden muss, aber jammern allein hilft gar nichts und irgendwo muss man schließlich einmal anfangen. Ich weiß von einer ganzen Reihe von privaten Initiativen in Ostafrika, bei denen Menschen vor Ort geholfen wird, je kleiner und privater desto erfolgreicher. Unser Projekt heißt nun Kinondo. Wieso: weil eine Oesterreichische Touristin dort vor einigen Jahren eine Reifenpanne hatte und sah, wie groß dort die Not war, und weil ich im Urlaub mein Hotelzimmer neben dieser Frau hatte und so von ihrer Arbeit erfuhr. Zufall? Ich weiß es nicht, aber vielleicht hat Gott, dem wir gar nicht genug dafür danken können wie gut es uns hier geht auch gewollt, dass wir in Kelsterbach auf diese Menschen aufmerksam werden.

Daher zu Schluss noch eine Bitte: besuchen Sie unseren schönen Weihnachtsmarkt noch zahlreicher als in den vergangenen Jahren, und geben Sie dort ruhig ein bisschen mehr Geld aus als sonst, außerdem nehmen die Damen der Frauenhilfe im Cafe St. Martinsklause auch gerne Ihre Spende entgegen. Sie werden damit sicher nicht die Welt retten, aber wie man auf Swahili sagt:

Haba na haba, hujaza kibaba
(Tropfen für Tropfen füllt sich das Maß)

Zweiter Brief von Tilman Lichtenthaeler

Im Brief "Wasser für Kinondo" haben Sie zum ersten Mal von der Siedlung Kinondo im Süden Kenias gehört, und davon, unter welch harten Bedingungen die Menschen dort zu leben gezwungen sind. Sie haben erfahren, wie die Feldkircherin Brigitte Dobler dort unermüdlich mit verschiedenen Projekten seit Jahren das Leben der Menschen erleichtert, wie es ihr gelungen ist, Perspektiven zu eröffnen wo bisher Ausweglosigkeit herrschte.

Der Kirchenvorstand und die Frauenhilfe von St. Martin als die federführenden Organisatoren unseres Weihnachtsmarktes hatten im vergangenen Herbst beschlossen, einen beträchtlichen Teil der dort erzielten Einnahmen für ein Wasserprojekt zur Verfügung zu stellen, bei dem nach und nach in jeder der unter Trockenheit leidenden Siedlungen Kinondos Brunnen entstehen sollen, damit die Menschen Zugang zu  sauberem Wasser bekommen und nicht mehr Stundenlang zu verschlammten und verkeimten Wasserlöchern laufen müssen.

Inzwischen ist es März geworden, und es ist uns gelungen, mit dem Spendengeld aus Kelsterbach nicht nur einen sondern sogar zwei Brunnen errichten zu lassen. Beide werden mit stabilen und sehr langlebigen Handpumpen betrieben und sie liefern kühles und klares, vor allem aber sauberes Wasser. Dieses Wasser wird dafür sorgen dass die Menschen nicht so oft krank werden, es wird dafür sorgen dass auf den Feldern mehr angebaut werden kann und  dass dieser Überschuss auf den umliegenden Märkten verkauft wird um von dem Erlös dringend benötigte Dinge zu kaufen, die nicht selbst hergestellt werden können. Vor allem aber dürfen nun die Kinder, die bisher nahezu den ganzen Tag über mit Wasser holen beschäftigt waren die Schule besuchen, kurz gesagt werden die beiden Brunnen eine ganze Reihe positiver Veränderungen bewirken, auf die wir im fernen Europa niemals kämen. Wie kann ich mir da so sicher sein? Ganz einfach weil ich erlebt habe, wie der unkomplizierte Zugang zu sauberem Wasser durch Brunnen die in früheren Jahren entstanden sind das Leben der Menschen dort verändert hat, oft in kurzer Zeit, wie mir ein Brunnenprojekt das ich im vergangenen Jahr verwirklichen konnte gezeigt hat.

Doch zurück zu den beiden Brunnen von St. Martin. Brunnen zu bohren birgt immer einige Unwägbarkeiten, vor allem was das Erdreich betrifft in dem man bohrt. So kann man vorher nie genau bestimmen, wie tief das Grundwasser genau beginnt, oder ab welcher Tiefe das sandige Erdreich vom Korallen Gesteinsuntergrund abgelöst wird. Den besten Platz zum Bohren bestimmen hier meist erfahrenene Wünschelrutengänger, und in der Regel kann man sich auch auf ihr Urteil verlassen, aber eben nicht immer. So war bei dem  ersten unserer Brunnen die sandige Erdkrume nur etwas einen Meter tief, danach begann das Korallengestein, aus dem mit einfachsten Werkzeugen ein erstaunlich gerader, runder Brunnenschacht geschlagen wurde. Bereits nach 14 Metren war das Grundwasser erreicht, insgesamt mußte der Schacht deshalb nur 16 Meter tief gegraben werden.

Den zweiten Brunnen zu graben erwies sich als schwieriger. An der vorgesehenen Stelle war der sandige Untergrund auch nach sechs Metern Tiefe noch nicht vorbei, was bedeutete, daß der lockere Boden von außen immer wieder nachrutschte, und die Baustelle mit jedem Tag mehr einem Krater glich. Ein Neubeginn an anderer Stelle war unumgänglich. Hier mußte allerdings immer noch vier Meter tief gegraben werden, um den festen Untergrund zu erreichen, von dem aus mit Hammer und Meißel weitergearbeitet werden konnte.

Nun hätte man den Brunnen zwar in der entstandenen Mulde direkt auf den Korallen Untergrund bauen können, aber in der Regenzeit wäre dann Wasser von außen in den Brunnen gelaufen und hätte für Verunreinigungen gesorgt. Aus dem leichten Korallengestein einen Brunnenrand hochzumauern um wieder das normale Bodenniveau zu erreichen wäre sehr aufwändig gewesen und hätte bedeutet, dass viel teurer Mörtel benötigt worden wäre.

Die stabilste und kostengünstigste Variante war die, in Ukunda einige Kanalisationsrohr Segmente aus Beton mit einem Durchmesser von einem Meter zu kaufen, ganz ähnlich denen, wie sie auch bei uns für die Kanalisation verwendet werden.

Diese ohne einen geeigneten Kran in Kinondo abzuladen und zu verbauen war nicht unproblematisch, und es gleicht einem kleinen Wunder, dass die Segmente ohne zu zerspringen verbaut werden konnten, und dass auch niemand verletzt wurde.

Die Rohre wurden einfach auf den ins Korallengestein gegrabenen Schacht aufgesetzt, so viele, dass die oberste Röhre über dem Bodenniveau lag. Nachdem die Übergänge zwischen den Rohren vermörtelt waren wurde das Erdreich von außen wieder an die Rohre angeschüttet, und am Ende war auch der zweite Brunnen mit einem stabilen, 22 Meter tiefen Schacht versehen.

Beide Brunnen wurden inzwischen unter großer Beteiligung der Bevölkerung mit einem Fest eingeweiht. Zur Feier des Tages wurden Ziegen geschlachtet und zubereitet, wobei dem Stifter, als dessen Vertreter ich vor Ort war die große Ehre Zuteil wurde, die Leber der Ziegen zu essen. Bei meiner leidenschaftlichen Liebe zu Ziegenfleisch war ich äußerst dankbar dafür, dass bei der Einweihung des ersten Brunnens meine Frau und bei der Einweihung des zweiten Brunnens meine Tochter Elisabeth bei mir in Kenia zu Besuch waren und ich die Ehre des Ziegenleberessens an sie weitergeben durfte. Ich stehe auf ewig in ihrer Schuld. Es war ein wirklich buntes Bild unterschiedlichster Menschen, die sich hier zum Feiern versammelt hatten. Viele Stämme mit unterschiedlichen Traditionen und Religionen leben in der Küstenprovinz Kenias zusammen, Christen unterschiedlicher Bekenntnisse, Moslems und Anhänger der Geisterkulte.

Alle gemeinsam werden sie die Brunnen nutzen, und das ist auch gut so. Wenn alle gleich arm oder gleich reich sind, wenn alle Wasser oder kein Wasser haben, dann verläuft das Zusammenleben ohne große Probleme. Übergibt man aber Projekte nur einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, dann geht es dieser zwar besser, aber bei denen die nicht beteiligt werden entsteht Neid und allmählich Feindschaft.

Viele Projekte früherer Jahrzehnte haben diesen Fehler gemacht, und selten ist Gutes daraus entstanden.

Als Zeichen ihrer Dankbarkeit haben die Leute in Kinondo „monuments“ also Denkmale aufgestellt. Auf dem Brunnen in Kinondo Magaoni steht zu lesen:

Donated by (gestiftet von) Ev. Frauenhilfe St. Martin Kelsterbach, Germany, darunter das weiße Lilienkreuz auf blauem Grund als Symbol der Frauenhilfe.

Auf dem „monument“ des zweiten Brunnens, der in Kinondo  Mwakwata errichtet wurde steht zu lesen:

Donated by EV. Luth. St. Martinsgemeinde Kelsterbach, Germany, darunter eine Zeichnung der St. Martinskirche, wie sie auch auf dem Titelbild des Martinsboten zu finden ist. „Rein zufällig“ findet sich auf dem Grund dieses Brunnenschachtes übrigens ein kleines Stück roten Sandsteins, der bei der Außenrenovierung unserer Kirche 1989 ausgetauscht worden war.

Das Spendengeld aus Kelsterbach hat ausgereicht, um beide Brunnen vollständig bezahlen zu können, ja es war am Ende sogar noch etwas übrig, um beispielsweise die Arbeit des Southern Kwale Womens Projekt unterstützen zu können.

Die Arbeit dieses Projektes lernte ich in diesem Jahr kennen. Frauen aus der südlichsten Region Kenias haben sich zusammengetan, um dort aktiv zu werden, wo die staatlichen Institutionen sich nicht zuständig fühlen. Da werden beispielsweise Kurse in Säuglings- und Krankenpflege sowie Aidsaufklärung abgehalten.

Außerdem wird Mädchen die Möglichkeit gegeben etwas zu lernen um Geld zu verdienen, so gibt es beispielsweise Nähkurse. Das Geld dafür und viele andere Projekte wie den Aufbau und Unterhalt einer kleinen Krankenstation kommt hauptsächlich aus den Beiträgen der Mitglieder und besonderen Sammlungen.

Ich habe mich vor einigen Jahren intensiv mit der Geschichte unserer Frauenhilfe befasst und mir fiel auf, wie ähnlich die Arbeit der Frauen hier in Kenia der unserer Frauenhilfe vor hundert Jahren ist. Unterschiedliche Kontinente, unterschiedliche Lebenswelten, und dennoch so viele Parallelen!

Ich schreibe diesen Artikel wenige Tage vor meiner Rückkehr nach Deutschland, und bin glücklich über all das, was in diesem Jahr verwirklicht werden konnte. Ausser den beiden Brunnen von St. Martin waren das: ein weiterer Brunnen, durch die Hilfe einer Spenderin aus Frankfurt errichtet, der Neubau der Schneiderei (dieses Projekt war bisher in einem gemieteten Haus untergebracht) sowie der Neubau eines großen und stabilen Fischerbootes für die Fischer von Kinondo, die nun deutlich bessere Möglichkeiten für ertragreiche Arbeit an der Küste des Indischen Ozeans haben.

Wer mehr über die Projekte in Kinondo erfahren und Bilder aus Kinondo und von den Brunnen sehen möchte ist herzlich eingeladen zum diesjährigen Jahresfest unserer Frauenhilfe am 9. März in der Mehrzweckhalle Nord. Dort werde ich über die Arbeit vor Ort berichten. Übrigens sind auch Männer dort gern gesehene Gäste.

Ich bin stolz und dankbar, dass meine Gemeinde es ermöglicht hat, den Menschen hier nachhaltig zu helfen, dankbar dass meine Gemeinde mitgeholfen hat dafür zu sorgen, dass die Leute von Kinondo zu Hause überleben können und nicht ihr Heil in der Flucht übers Mittelmeer suchen müssen.

Die Projekte für 2016 sind erfolgreich abgeschlossen, nun geht es daran, die Projekte für 2017 zu planen. Auch hier wird wieder jede nur denkbare Unterstützung gebraucht, und wäre großartig, wenn die St. Martinsgemeinde und damit wir alle auch im kommenden Jahr in Kinondo helfen könnten.